Sally in Cornwall

Liebe  Kontinentaleuropäer,

viele Grüße aus dem sonnigen Cornwall.
Vor einigen Tagen haben wir die Fähre von Calais nach Dover genommen. Wusstet ihr, dass im Jahr 1066 das letzte Mal feindliche Truppen in Großbritannien gelandet sind? Aber wir kommen in freundlicher Absicht.

So ganz scheinen sie der Sache aber doch nicht zutrauen, offensichtlich noch traumatisiert von 1066. Jedenfalls wurden wir direkt nach der Ankunft mit dem Wagen in eine große Halle geleitet. Eine Polizistin mit strengem Blick kam auf uns zu. Sie hatte genauso einen dämlichen Hut auf wie der, den sie in den englischen Kriminalserien immer tragen. Offensichtlich ist der nicht nur fürs Fernsehen. Sie fragte dann Herrchen streng, ob wir irgendwelche Messer bei uns haben. Herrchen dachte kurz an das Taschenmesser in seiner Reisetasche und sagte dann mit fester Stimme: „Nein!“ Herrchen hat mal gesagt, dass man als Anwalt nicht lügen darf, man muss bloß nicht ganze Wahrheit sagen. Ich vermute aber, dass von dieser Antwort die Anwaltskammer besser nichts erfahren sollte…

Und dann ging es los mit dem Linksverkehr. Frauchen hat gleich mit der Verkehrserziehung angefangen und in jedem Kreisverkehr (und Sie haben eine Masse davon) laut und vernehmlich „links“ gesagt. Wir werden nie erfahren, ob es Herrchen auch ohne ihre Hilfe geschafft hätte. Herrchen hat dann erzählt, dass er das erste Mal 1969 in England war, in London. Ich glaube, Beethoven war schon tot, aber es gab noch die Beatles! Da ist mir erst mal klar geworden, wie unglaublich alt er schon ist. Er sagt, sie hätten mit ihrer Gruppe in einer billigen Pension gewohnt. Sie konnten dort die Deutschen nicht leiden und in den Betten gab es Wanzen. Ob das eine mit dem anderen zusammenhing, weiß er nicht.
Frauchen hat dann erzählt, dass die beiden auch schon mal zusammen in England waren. Sie konnte sich noch gut an das erste Hotel erinnern, ein teurer alter Kasten in Broadstairs. Billige Holzimitatmöbel, als Heizung nur ein Heizstrahler und eine Badewanne, die so abgenutzt war, dass man sich darin im wahrsten Sinne des Wortes den Arsch aufreißen konnte. Dafür zum Frühstück dann elegante Kellner, die Kabeljau auf Silbertabletts serviert haben. Da wurde mir das Hotel doch sympathisch. Badewannen finde ich sowieso blöd und Kabeljau zum Frühstück mit Stil serviert fände ich auch Klasse. Sie hätten dann immer Zimmer mit Bed and Breakfast gehabt. Herrchen hat gesagt, nach dem Breakfast sei ihm drei Tage lang immer schlecht gewesen, bis er begriffen hatte, dass es keinen Sinn hat, zum Frühstück so viel essen zu wollen wie die Engländer.

Diesmal haben wir Ferienwohnungen…
Die erste war in St. Ives. Zweifamilienhaus im viktorianischen Stil. Die Engländer scheinen wahnsinnige Angst vor Bränden zu haben. Im Treppenhaus gibt es einen großen und ausgeklügelten Fluchtplan, einen Feuerschlauch, größere Mengen von Brandschutzdecken und natürlich Rauchmelder. Einer davon ist in der Küche über dem Toaster. Das ist einerseits sehr praktisch, wenn man seinen Toast nicht zu kross mag. Bevor der Toast richtig verbrannt ist, geht das Ding los. Andererseits ist der Fiepton für Hundeohren absolut das letzte. Sonst war die Wohnung sehr schön, englisch halt. Zur Wohnung gehört auch ein Parkplatz, aber der hat Herrchen absolut in den Wahnsinn getrieben. Er war auf einer hohen Rampe, rechtwinklig zur Zurückfront des Hauses. Wenn man langsam fuhr, kam man nicht hoch. Wenn man schnell fuhr, donnerte man gegen die Mauer am Ende des Stellplatzes. Rollte man unkontrolliert zurück, fuhr man gegen das Haus. Es ging also nur mit extrem rutschender Kupplung. Seitdem stinkt sie. Herrchen hat dann nur noch weit entfernt am Straßenrand geparkt.

Und wo wir gerade beim meckern sind: es gibt eine sinnvolle Erfindung, die sich bislang ihren Weg noch nicht bis England gebahnt hat: die Mischbatterie. Es gibt nach wie vor einen Wasserhahn mit sehr heißem Wasser und einen Wasserhahn mit sehr kaltem Wasser.

Wir sind dann nach unten in den Ort gelaufen und was soll ich euch sagen: es war ein rauschender Empfang! Begeisterte Engländerinnen und Engländer säumten die Straßen, ganze Schulklassen standen zu meiner Begrüßung bereit und schwenkten Fähnchen. Ich war gerührt. Aber dann kam die schreckliche Wahrheit heraus: die kamen gar nicht wegen mir, sondern wegen der Queen. Die kam nach Saint Ives, um dort ein blödes Rettungsboot einzuweihen und die dortige Tate Gallery zu besuchen.


Während ich mich etwas entspannte und es genoss, einmal ganz anonym herum zu laufen, zeigte sich, dass ich doch einige Aufmerksamkeit erregte, die jedoch, wie ich feststellen musste, im Wesentlichen auf Unkenntnis beruhte. An die zehnmal wurden wir gefragt: „Is that a Cockerpoo?“ Das scheint wohl die landesübliche Pudel-Promenadenmischung zu sein. Was habe ich mit diesen tendenziell übergewichtigen Schlappohren zu tun?  

Ansonsten kann man sagen, dass ca. die Hälfte der Engländer Hunde lieben, die andere Hälfte hasst sie. Die Regeln werden von denen gemacht, die Hunde hassen. An den Strand erst ab 19:00 Uhr. Hunde dürfen grundsätzlich nicht ins Restaurant, komischerweise aber in den Pub. Ist ja auch ein wahnsinniger Unterschied: Ins Restaurant geht man, setzt sich an den Tisch, studiert die Speisekarte, bestellt ein Gericht isst es auf, trinkt meist einen Wein dazu und geht wieder. Hunde verboten. Im Pub setzt man sich an den Tisch, studiert die Speisekarte, bestellt ein Gericht, isst es auf, trinkt meist ein Bier dazu und geht wieder. Hunde erlaubt. Ist doch ganz logisch, oder?



Die bekannteste kulinarische Spezialität von Cornwall ist die Cornish Pasty. Das sind gefüllte Teigtaschen, die dem Hund von Welt je nach Füllung mal mehr und mal weniger schmecken. Den Knaller hat Herrchen entdeckt: „Full English Breakfast“. Als Füllung einer Pastete! Da ist alles drin, was zu einem englischen Frühstück gehört: Eier, Bacon, Champignons, Tomaten, gebackene Bohnen. Da muss man erst einmal drauf kommen. Aber letztlich ist es gelogen. Ihr werdet es schon gemerkt haben: Da fehlt die Marmelade!

Am letzten Tag in Saint Ives kam es zu einem kleinen Vorfall, der Herrchen immer noch ärgert. Auf der Straße vor unserer Wohnung kam uns ein junger Schnösel in Business-Klamotten entgegen. Der lief so forsch auf mich zu, dass ich ihn erst mal angebellt habe. Da hat er mich mit einem ganz gemeinen und stechenden Blick angesehen und geschnauzt: „Don´t even think about it!“ Herrchen findet es schade, dass ihm auf die Schnelle nicht eingefallen ist, wie der Satz: „Dieser Hund beißt nicht einmal Idioten“ auf Englisch heißt.


Von Saint Ives sind wir dann nach Port Isaac gefahren, einem weiteren schnuckeligen Nest an der Küste. Man kann dort wieder mal deutlich erkennen, dass Großbritannien schon vor der Erfindung des Automobils besiedelt war. Wir hatten dort ein nettes kleines Ferienhäuschen. Um es mit dem Auto zu erreichen, musste man erst in die Hafenrampe zurücksetzen, da die Straße für simples links abbiegen einfach zu eng war. Frauchen schwärmt immer noch von der Eingangstür, so eine will sie in Italien auch haben, mittig geteilt und oben separat zu öffnen. Frauchen kann rausgucken, Sally nicht. Wie blöd!

Was man hier in Cornwall wirklich gut kann, ist wandern. Es gibt an der ganzen englischen Südküste durchgehende Wanderwege mit fantastischen Aussichten. Während der durchschnittliche Italiener auch die Zigaretten von der Tabaccheria an der Ecke grundsätzlich mit dem Auto holt (selbst auf Wanderkarten liegen die meisten empfohlenen Wege an Straßen), wandern die Engländer und Engländerinnen sehr gern, und das bei jedem Wetter. In Port Isaac sind wir bei kaltem Dreckswetter losgelaufen. Herrchen hatte dicke Schuhe an, Unterhemd, Hemd, Pullover, dicker Anorak, Mütze, Handschuhe. Entgegen kamen uns dann zwei Engländer. Kurze Hose, Badelatschen. Es scheint, dass man in England das Wetter einfach ignoriert. Ich als Italienerin will mal so sagen: Bei dem Wetter ist das wohl auch das Beste.


Von Port Isaac aus sind wir auch zu den Bedruthan Steps und zum Bodmin Moor gefahren. Beides sehr nett, aber mir hat der Strand bei den Bedruthan Steps am besten gefallen. So muss ein Strand sein: Felsen und jede Menge Sand zum Herumlaufen. Es war so schön, dass wir am nächsten Tag gleich wieder hin gefahren sind. Und da haben dann die beiden die Bedeutung von Ebbe und Flut erstmals richtig wahrgenommen: der Strand war weg!


Da war Frauchen aber enttäuscht. Seitdem gehört der Tidenkalender zum festen Bestandteil der Strandplanung. Jedenfalls steht fest: auch in Großbritannien gibt es wunderbare Gegenden. Wir kommen wieder. 

Eure Sally und ihre Travel Companions

Nach oben scrollen