Wie alles anfing



Vor drei Stunden hat sich die Gittertür meiner Hundebox hinter mir geschlossen und wieder einmal sitze ich in der Falle. Ich merke, dass ich allmählich mal pinkeln müsste und im Auto breitet sich ein charakteristischer Geruch aus: der Geruch von schlechter Laune.

Ich kenne die beiden auf den Vordersitzen gut genug, um zu wissen, was los ist. Wir sind auf dem Weg zu unserem Turm im Hinterland von Rimini. Jetzt stehen wir im Stau auf der A3 kurz hinter Frankfurt und nichts bewegt sich. Der Navi sagt, dass wir erst ziemlich spät in München ankommen werden.
Frauchen hasst Staus ganz generell. Sie sagt, dass sie in ihrem Berufsleben schon so oft auf Züge gewartet und in Staus gestanden hat, dass es jetzt auch mal reichen müsste.
Herrchen dagegen denkt daran, dass wir auf dem Zwischenstopp bei unseren Freunden in München zum Abendessen eingeladen sind und fragt sich, ob er auch abends um 22:30 Uhr noch was Vernünftiges zu essen bekommen wird.

Ich habe mir die beiden ausgesucht, als ich gerade zwei Wochen alt war, eigentlich viel zu jung, um wesentliche Lebensentscheidung zu treffen. Sie hatten auch noch einen anderen Welpen zur Auswahl und manchmal, ganz selten, frage ich mich, wie es gewesen wäre, wenn ich mit meinen kleinen spitzen Zähnchen zugebissen hätte, statt mich in Herrchens Hand zu kuscheln. Aber sie machten beide einen netten soliden Eindruck und schienen meinem Bedürfnis nach geordneten Verhältnissen zu entsprechen. Und sie schienen guten Geschmack zu haben, sonst hätten sie sich nicht ebenfalls für mich entschieden, einen durch und durch sympathischen und süß aussehenden Lagotto Romagnolo-Welpen.

Lagotti sind italienische Wasserhunde. Obwohl, geboren bin ich in Schermbeck. Das liegt in Westfalen. Ich habe beides: italienische Grazie und westfälische Sturheit.
Am Anfang ließ sich alles gut an. Ich liebe unser Zuhause im grünen Ruhrgebiet. Dort gibt es das bequemste Sofa und vier gemütliche Schlafplätze und einen schönen Garten. Bäche und Teiche, Parks, Wälder und Halden zum Wandern sind um die Ecke. Wir haben viele liebe Freundinnen und Freunde, die mir Leckerlis mitbringen. Herrchen kocht leckere Sachen und Frauchen gibt sie mir heimlich, also alles super. Ab und zu fuhren wir in die Romagna, die Heimat meiner Vorfahren, wo Lagotti als Trüffelhunde besondere Wertschätzung genießen (Ich persönlich bevorzuge Trüffel ja in verarbeiteter Form, zum Beispiel als Trüffelkäse).


Nach und nach zeigte sich allerdings eine gewisse Neigung zu unsteter Lebensweise. Und dann haben Sie sich ein Wohnmobil gekauft. Da wusste ich, dass es mit der Ruhe und Gemütlichkeit vorbei ist.
Ich liebe Fish n´Chips, Kaiserschmarrn, Ossobuco, Coq au Vin oder norwegischen Lachs. Aber muss ich dafür verreisen? Das kann man mir doch auch zu Hause zubereiten!
Und schließlich war da noch eine andere Sache: Ab und zu packte Frauchen einen Koffer, verschwand für ein paar Tage, ohne dass ein Ehekrach erkennbar war und kam dann wieder. Als Herrchen aufhörte zu arbeiten, kam heraus, was dahintersteckte: Frau ging auswärts arbeiten! In Hamburg, in München, in Berlin und überhaupt überall da, wo es weiter weg war. Prima, sagte Herrchen, als er Privatier wurde. „Da können wir jetzt immer mitfahren“. Na super!

Aber jedes Schlechte hat auch sein Gutes: Ich lerne die Welt kennen. Naja, nicht direkt die Welt, sondern Europa. Herrchen hat Flugangst. Aber er schiebt es auf mich: „ Das können wir der armen Sally nicht antun“. (Die arme Sally, das bin ich…)  Seit einiger Zeit hat er jetzt auch ökologische Einwände gegen das Fliegen. Und in der Corona-Epidemie wollte er auch nicht im Flugzeug neben jemandem mit trockenem Husten sitzen. Lauter Ausreden, aber er war halt Anwalt und kann nicht aus seiner Haut.

Davon, wie es mir unterwegs ergeht, berichte ich laufend unseren Freundinnen und Freunden in Emails. Die meinten jetzt, dass meine Abenteuer einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden sollten. Das soll mit diesem Blog geschehen. Wie heißt es bei Schiller? „Mit all seinen Tiefen, seinen Höhen roll ich das Leben ab vor deinem Blick. Wenn du das große Spiel der Welt gesehen, so kehrst du reicher in dich selbst zurück.“ Bitte anschnallen, es geht los!

P.S: Wer ist eigentlich dieser Schiller?

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